Am 8. Juni 2022 stimmte das Europäische Parlament dafür, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren (ICE) bis 2035 zu verbieten. Dies ist ein zentraler Schritt auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050, immerhin verursachen PKWs 15 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Europa.
Der Übergang zur Elektromobilität erschüttert die europäische Automobilindustrie, die angesichts der wachsenden Dominanz Chinas ins Hintertreffen geraten ist. Diese Dominanz hat China u.a. mittels staatlicher Subventionen ausgebaut und über Preis-Dumping im internationalen Markt herbeigeführt. Als Reaktion darauf hat die EU Einfuhrzölle auf chinesische Fahrzeuge verhängt. Die Herausforderung für die EU besteht nun darin, ihre Automobilbranche sowohl vollumfänglich umzustellen und zu erhalten als auch die selbst gesteckten Ziele zur CO2-Neutralität zu erreichen.
erläutert Christiane von Berg, Head of Economic Research BeNeLux & DACH bei Coface.
Die europäische Automobilindustrie trägt 7 Prozent des BIP der EU und ist eine der letzten industriellen „Bastionen“ des Kontinents. Europas Fähigkeit, eigene Elektrofahrzeuge zu produzieren, ist daher nicht nur ein entscheidender Faktor für die Erreichung der Klimaziele, sondern auch von enormer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Die grüne Transformation hat allerdings noch einen weiten Weg zu gehen. Zwar ist das aktuelle Jahreswachstum von 37 Prozent zum Vorjahr ausreichend, um dies zu erreichen, das muss aber erst einmal gehalten werden.
ergänzt Dagmar Koch, Country Managerin Coface Österreich.
Die derzeitige Wachstumsrate wird weitgehend durch Importe chinesischer Elektroautos gestützt – zu Preisen, die oft deutlich niedriger sind als die der europäischen Hersteller.
Die EU hat Mühe, ihre eigenen Ziele zu erreichen
Der Anteil der chinesischen Importe verdeutlicht die Schwierigkeiten der EU, ihre Ziele bei der Produktion von Elektroautos zu erreichen. Unzureichende Industriekapazitäten, insbesondere im Bergbau zur Gewinnung der Rohstoffe und in der Batterieproduktion, sind ein großes Hindernis. Deswegen hat die EU größere Investitionen getätigt, zum Beispiel in das österreichische Wolfsberg Lithiumprojekt, das immerhin mit 15 Millionen Euro gefördert wird, aber auch die deutsche BASF erhielt einen 5 Millionen Euro-Zuschuss für das Recycling von Seltenen Erden. Doch trotz der jüngsten Bemühungen wird deutlich, dass mittels dieser Maßnahmen nur bis zu 10 Prozent der Nachfrage der benötigten Materialien gedeckt werden können. Auch die Investitionen in die Batterieproduktion bleiben mit lediglich 3,2 Mrd. Euro von den benötigten 125 Mrd. Euro für eine umfassende Batterieindustrie bis 2030 weit hinter den Zielen zurück.
Das letzte Hindernis für die Einführung von Elektrofahrzeugen sind ihre Kosten. Obwohl es in mehreren EU-Ländern Kaufanreize und weitere staatliche Vorteile gibt, sind diese nicht einheitlich und gleichen den Preisunterschied zu Verbrennungs- und Hybridfahrzeugen bei Weitem nicht aus.
China steht im Mittelpunkt
Diese europäischen Schwierigkeiten werden durch den steilen Aufstieg Chinas in dieser Branche noch verstärkt. Pekings Industriestrategie, unterstützt durch beträchtliche Subventionen, hat es seinen nationalen Champions wie BYD und CATL ermöglicht, in der gesamten Wertschöpfungskette – vom Bergbau bis zur Automobilherstellung – eine dominante Position auf dem Weltmarkt einzunehmen. Die chinesische Regierung hat zwischen 2009 und 2023 mehr als 231 Mrd. US-Dollar in die Elektroautoindustrie investiert, zusätzlich zu den Subventionen für Batteriehersteller und Produzenten von wichtigen Rohstoffen wie Lithium. Infolgedessen hat BYD bereits 2023 Tesla, den Pionier der modernen E-Autos, in punkto Anzahl der global verkauften Fahrzeuge überholt. CATL ist für 32 Prozent der weltweiten Lithiumion-Batterieproduktion verantwortlich.
Die EU steht vor einem strategischen Dilemma
Die Konkurrenz aus China stellt die EU vor ein strategisches Dilemma: Wie können Arbeitsplätze und die europäische Automobilindustrie geschützt und gleichzeitig die ehrgeizigen Klimaziele für 2035 erreicht werden? Die Abstimmung vom 4. Oktober über die Erhöhung der Zölle auf die Einfuhr chinesischer (Elektro-)Fahrzeuge hat das Problem nochmals in den Vordergrund gerückt. Dabei steht fest, dass die erhobenen Zölle zu niedrig sind, um chinesische Elektrofahrzeugexporte nach Europa zu stoppen. Mittelfristig könnten sie die chinesischen Hersteller dazu zwingen, ihre Produktionskosten weiter zu senken, um ihre hohen Gewinnspannen auf dem europäischen Markt zu halten oder die Margen über deutlich steigende Verkäufe möglichst zu stabilisieren und über Quantität die Zölle auszugleichen.
„Eine weitere Möglichkeit für die EU, der chinesischen Konkurrenz zu begegnen, besteht darin, sie in die heimische Produktionskette mit einzubeziehen und auf diese Weise die inländischen Produktionskapazitäten für Elektrofahrzeuge zu erhöhen. BYD zum Beispiel hat bereits mit dem Bau seiner ersten Fabrik in Ungarn begonnen.“, erläutert Koch und betont abschließend: „Im aktuellen geopolitischen Kontext birgt es allerdings auch erhebliche Risiken, die Produktionsziele auf Kosten der Eigenständigkeit der europäischen Industrie zu erreichen. Es würde den technologischen Rückstand Europas offenlegen und am Ende stellt es nur eine unsichere Lösung inmitten der diplomatischen Spannungen zwischen dem Westen und China dar“.