La Niña löst El Niño ab, bringt kühleres und feuchteres Wetter und hat Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die zweite Jahreshälfte 2024 wird voraussichtlich durch das Auftreten von La Niña geprägt sein. Das Wetterphänomen steht mit kühleren Temperaturen und einer nasseren Witterung den Auswirkungen der globalen Erwärmung etwas entgegen. Jedoch wird gleichzeitig mit einem erheblichen Anstieg von Stürmen zum Beispiel in Australien und den USA gerechnet. Dies wird auch Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

Die „El Niño Southern Oscillation“ (ENSO) beschreibt ein großflächiges ozeanisch-atmosphärisches Phänomen, das durch anormale Schwankungen der Oberflächenwassertemperaturen im zentralen und östlichen Pazifik entsteht. Es umfasst zwei gegensätzliche Phänomene – La Niña und El Niño –, die historisch gesehen etwa alle zwei bis drei Jahre auftreten. Seit 2019 jedoch verläuft ENSO ohne Unterbrechung, eine beispiellose Situation seit Beginn der Aufzeichnung. Das bedeutet, dass sich der Umschwung zwischen La Niña und El Niño binnen weniger Wochen – und ohne eine neutrale Phase – vollzieht. Das letzte El-Niño-Ereignis begann im Juni 2023, es war der viertstärkste El Niño seit Beginn der Aufzeichnungen, der seinen Hochpunkt Anfang 2024 erreichte. La Niña gilt als „kalter“ Gegenpart zu El Niño und folgt häufig auf ein ausgeprägtes El Niño-Jahr.

La Niña bringt kühleres und feuchteres Wetter. In verschiedenen Regionen wie dem südlichen Afrika, Südostasien und Australien wird La Niña daher als positives Ereignis gewertet, da von Dezember 2024 bis August 2025 mit starken Regenfällen gerechnet wird. Im Westen Kanadas, im Norden der Vereinigten Staaten, in Japan und auf der koreanischen Halbinsel wird dagegen ein kälterer Winter erwartet. La Niña führt allerdings auch zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse: Eine der wichtigsten Anomalien, die derzeit erwartet wird, ist die Zunahme von Hurrikanen entlang der Atlantikküste der Vereinigten Staaten.

 

Auswirkungen auf die weltweite Agrarproduktion

In den großen Erzeugerländern des asiatisch-pazifischen Raums wie Indien (zweitgrößter Produzent von Reis, Weizen und Zuckerrohr), Indonesien (weltweit größter Produzent von Palmöl und drittgrößter Reisproduzent) und Australien (viertgrößter Produzent von Gerste und Raps) wird mit einem deutlichen Anstieg der Produktion gerechnet. Dies wird voraussichtlich zu einer Entspannung bei den Rohstoffpreisen führen und die Inflationsrisiken in der Region mindern. Zugleich wird erwartet, dass La Niña die landwirtschaftlichen Erträge in Nord- und Südamerika durch Dürre- und Kälteperioden verringern wird, die insbesondere Weizen (Vereinigte Staaten) und Sojabohnen (Brasilien) betreffen. Auch andere landwirtschaftliche Erzeugnisse reagieren empfindlich auf Wetterschwankungen – vor allem die regionale Produktion von Kaffee, Kakao und Obst wird im nächsten Jahr gefährdet sein.

 

Zunahme der Piraterie im Arabischen Meer

Es wird außerdem erwartet, dass La Niña, dem Horn von Afrika bis Ende des Jahres wärmeres und trockeneres Wetter beschert, was in mehreren Ländern zu einer Verschärfung der Ernährungsunsicherheit führen dürfte. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Hungersnot in Somalia im Jahr 2011, die teilweise auf La Niña zurückzuführen war. Sie kostete 260.000 Menschen das Leben. Da die Dürren die Viehwirtschaft unmöglich gemacht haben, sind viele ehemalige Hirten zur Fischerei gekommen, was wiederum die Meeresressourcen weiter erschöpft hat. Die anhaltend hohe Armut könnte daher noch mehr Menschen in die Piraterie als alternative Einkommensquelle drängen.

 

Zunahme von Wirbelstürmen an der US-Ostküste bedroht Ölförderung

Die Zunahme von Hurrikanen an der Atlantikküste der Vereinigten Staaten und im Golf von Mexiko könnte erhebliche Schäden an Offshore-Ölanlagen verursachen. Zahlen des „Bureau of Safety and Environmental Enforcement“ (BSEE) zeigen, dass die Ölförderung im Golf von Mexiko am 29. August 2021 nach Hurrikan Ida zu 95 Prozent eingestellt wurde. Ein Produktionsrückgang ist daher sehr wahrscheinlich, denn auf den Golf von Mexiko entfallen 15 Prozent der gesamten US-amerikanischen Rohölproduktion, 45 Prozent der gesamten Raffineriekapazität und 51 Prozent der gesamten Erdgasverarbeitungskapazität.

 

Angemessener Pegelstand im Panamakanal

Da der Panamakanal von Süßwasser aus zahlreichen Seen und Flüssen in seinem Einzugsgebiet abhängt, wird erwartet, dass sein Pegel nach einem Jahr der Trockenheit und logistischen Störungen in der zweiten Jahreshälfte wieder ansteigt. Das würde den Druck auf den weltweiten Frachtverkehr bezüglich Lieferkettenprobleme verringern.