Daten sind das Herzstück des Mehrwerts unseres Leistungsangebots

In einem kürzlich geführten Interview mit Le Revenu teilt Xavier Durand, CEO von Coface, seine Gedanken zum Thema Risikomanagement, zu aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und zur Rolle und Bedeutung von Daten und Innovation bei der Risikoanalyse und -prävention.

Sie haben die Finanzkrise 2008, den Unfall in Fukushima in Japan (2011) und die Covid-Krise miterlebt und danach Ihr Buch „Daring to take risks“1  geschrieben. Welche Erkenntnisse haben Sie aus all dem gezogen?

Xavier Durand: Wir alle haben unsere eigene Wahrnehmung von Risiken. Krisen lassen sich jedoch nur schwer vorhersagen, da Ereignisse multifaktoriell sind. Zwei bis drei Jahre in die Zukunft zu blicken ist weniger wichtig, , als zu wissen, wie man mit den Ereignissen umgeht, die in den nächsten drei bis sechs Monaten eintreten werden.

Während der großen Finanzkrise 2008 zögerten die Regierungen aus moralischen Gründen, zur Rettung einer Bank einzugreifen.Sie ließen zu, dass Lehmann Brothers in Konkurs ging. Doch als Covid kam, taten sie alles, was nötig war – koste es, was es wolle. Mit einem Bumerang-Effekt, denn ihre Geld- und Fiskalpolitik sorgte dafür, dass Zombie-Unternehmen überleben konnten. Jetzt fordert die Natur ihr Recht ein. In den meisten entwickelten Volkswirtschaften ziehen die Regierungen ihre Unterstützungsmaßnahmen zurück und Unternehmenspleiten werden zur Norm. Die europäischen Regierungen haben nicht mehr die Mittel, eine expansive Fiskalpolitik zu verfolgen. 

Die derzeitigen fiskalischen Ungleichgewichte führen zu Verschuldung und Instabilität. Unsere Kunden sind sich dessen bewusst, und wir sehen auch immer mehr neue Kunden, die sich absichern wollen.

 

Der einzige Kreditversicherer, der Informationen aus allen Ländern in einer einzigen Datenbank zusammenführen kann

 

Wie schaffen Sie es, Unternehmen in Zeiten erhöhter Risiken zu versichern?

Xavier Durand: Unser Geschäftsmodell basiert weniger auf unserer Fähigkeit, Vorhersagen zu treffen, sondern mehr auf unserer Managementkapazität. Wir können antizipieren, dass es eine Pandemie geben wird, aber das hilft uns nicht dabei, täglich 13.000 Kreditlimitentscheidungen in 200 Ländern mit 5 Millionen Geschäftspartnern zu treffen. Jedes Land und jede Situation ist einzigartig. Wir veröffentlichen zwar eine globale Risikoübersicht der Länder- und Branchenrisiken, aber das sagt nichts darüber aus, was mit einem bestimmten Unternehmen passieren wird. Die Auswirkungen eines makroökonomischen Phänomens auf ein Unternehmen sind je nach seiner Stellung in der Wertschöpfungskette völlig unterschiedlich.

Wir haben eine einzigartige Struktur aufgebaut, die wir ständig verbessern.

Wir sind der einzige Kreditversicherer, der Informationen aus allen Ländern in einer einzigen Datenbank zusammenzuführen kann. Wir stehen mit jedem unserer 100.000 Kunden in Verbindung. Früher dauerte es fünf Tage, um eine Kreditlimitentscheidung zu treffen.  Diese Zeit haben wir auf einen halben Tag reduziert– mit deutlich höherer Präzision und Geschwindigkeitd. Heute werden 60 % der Entscheidungen – abhängig von Größe und Regelmäßigkeit – automatisch getroffen. Wir prüfen nahezu alle weltweit eingereichten Kreditversicherungsanträge, und das Herzstück des Mehrwerts unseres Leistungsangebots basiert auf unserem Datenvolumen.  Wir investieren jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag in neue Technologien. In den letzten vier Jahren haben wir 500 Spezialisten in unseren Informationsabteilungen eingestellt, das entspricht einem Zehntel unserer gesamten Belegschaft. Diese Investitionen werden vollständig durch die Umsatzsteigerung dieser Dienstleistungen gedeckt. Wir konnten bereits über 15.000 Kunden gewinnen, die ausschließlich wegen unseres Datenangebots zu uns kommen. Dies ist ein schnell wachsender Markt.

Der Kreditversicherungsmarkt ist hart umkämpft. Unsere Preise werden in Zehntelprozentpunkten des garantierten Umsatzes berechnet, und sind seit fast zehn Jahren rückläufig. Alle durch Technologie erzielten Effizienzgewinne wurden an die Kunden weitergegeben.

 

Wie gut können Sie „Nein“ sagen?

Xavier Durand: Unsere Aufgabe ist es, Unternehmen dabei zu helfen, die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen und Zahlungsausfälle zu vermeiden, was eine der Hauptursachen für Unternehmensinsolvenzen ist. Somit ist es auch unsere Aufgabe Nein zu sagen, wenn wir der Meinung sind, dass das Risiko zu hoch ist.

Unsere Kundenbindungsquote ist mit etwa 93 % weiterhin sehr hoch.

 

Sehen Sie das Risiko einer Rezession und sollten wir damit rechnen, dass sich Ihr Wachstum weiter verlangsamt, insbesondere angesichts der rückläufigen Inflation?

Xavier Durand: Wir rechnen eher mit einer Verlangsamung als eine Rezession. Unsere Prämie berechnet sich aus einem Prozentsatz des Umsatzes. Sofern die Inflation steigt, ist das Wachstum berücksichtigt. Wenn sie fällt, führt dies zu einem Rückgang. Dieser Rückgang ist seit Ende letzten Jahres sichtbar. Aber das ist ein rein nominaler Effekt auf unsere Konten.


Wichtig ist die Stabilität unserer Kundenbasis. Und unsere Kundenbindungsquote ist mit rund 93 % nach wie vor sehr hoch. Unsere Umsätze entwickeln sich daher im Einklang mit der Wirtschaft, wobei neue Geschäfte hinzukommen.
 

 

Ist es vertretbar, 80 % Ihrer Gewinne auszuschütten?

Xavier Durand: Wir haben in der Tat eine der höchsten Renditen im SBF 120-Index. Wenn man unsere Aktienkursentwicklung dazuzählt, sind es seit meinem Amtsantritt vor neun Jahren ganze 17 % pro Jahr.
Unsere Ausschüttungsquote hat uns im Übrigen nicht daran gehindert, unsere Solvabilität zu steigern, die derzeit über unserem Zielbereich liegt.
Darüber hinaus stützen wir uns auf Rückversicherungen. Unsere Regel lautet, dass ein Großschaden nicht mehr als 3 % unseres Eigenkapitals kosten darf. Wir übertragen ein Viertel unseres Umsatzes an Rückversicherer und behalten drei Viertel der Risiken selbst.
 

 

Der einzige börsennotierte Kreditversicherer

 

Ist die Aufrechterhaltung der Börsennotierung sinnvoll? Könnte Arch Capital nicht die Kontrolle übernehmen?

Xavier Durand: Das ist eine Frage, die Sie Arch Capital stellen sollten. Der Einstieg von Arch Capital (2020 mit 29,9 % des Kapitals und vier Sitzen im Aufsichtsrat) hat unsere Strategie nicht verändert. Es handelt sich um eine Gruppe, die in den Bereichen Versicherung, Rückversicherung und Hypothekarkredit tätig ist. Die Arch Capital Gruppe verhält sich seit dem Einstieg wie ein Finanzpartner.

Wir sind der einzige börsennotierte Kreditversicherer. Unsere Expertise liegt im Kreditrisikomanagement, und wir arbeiten daran, unser Dienstleistungsangebot weiter zu stärken, von der Information über die Versicherung bis hin zum Inkasso. Dazu müssen wir weiterhin innovativ sein. Dies ist ein echtes Unterscheidungsmerkmal und eine der Säulen unseres neuen Power the Core-Strategieplans

Als ich bei Coface anfing, hatten wir Value-Investoren, dann zogen wir diejenigen an, die hohe Dividenden suchten. Jetzt beginnen wir auch, diejenigen anzusprechen, die Wachstumsaktien bevorzugen und sich für Technologie interessieren.

 

Interview von Aline Fauvarque für Le Revenu – November 2024

1- Oser le risque : Le management dans un monde incertain. 112p. Edition Hermann. Janvier 2021. 16 euros

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