Keynote Speaker US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar und Leiter der ARD-Finanzredaktion Markus Gürne
Ganz im Zeichen des Superwahljahres stand die diesjährige Country Risk Conference (CRC) der Coface in Österreich. „Mit mehr als 70 Wahlen weltweit ist 2024 das Superwahljahr schlechthin. Welche Auswirkungen haben die EU-Wahlen, unsere Nationalratswahlen und die Präsidentschaftswahlen in den USA auf die Geopolitik, unsere Unternehmen und unsere Gesellschaft? Markiert das Jahr 2024 eine Zeitenwende? Wird alles anders? Oder bleibt alles wie es ist? Diesen Fragen haben wir uns bei unserer diesjährigen CRC gestellt“, erklärt Dagmar Koch, Country Managerin Coface Österreich und Gastgeberin der Konferenz. Die CRC fand am 19. September im Apothekertrakt des Schloss Schönbrunn statt und mehr als 150 Gäste aus der Finanzbranche nahmen teil.
Der Wahlkampfstratege Julius van de Laar analysierte in seiner Keynote mit dem Titel „Race to the White House“ die Strategien und jüngsten Entwicklungen der Präsidentschaftskandidaten Trump und Harris. „Perception ist Realität“, betont van de Laar und ergänzte: „Der Wähler unterscheidet nicht dazwischen. Zahlen, Daten und Fakten allein werden niemals überzeugen.“ Der Wahlkampfstratege brachte eindrucksvolle Bilder von den Wahlkampfauftritten in den USA und verglich diese mit Parteiveranstaltungen in Deutschland: „Gute Kommunikation muss auch inszeniert werden“, betont van de Laar und ergänzt: „Vielleicht müssen wir am Regler drehen.“ Klar sei, dass 40 Tage vor der Wahl „wenig entschieden sei“.
Markus Gürne, Leiter der ARD-Finanzredaktion ging mit seinem Vortrag der Frage nach: „In welcher Welt wollen wir leben?“ Gürne stellte klar, dass Europa „die besten Voraussetzungen“ habe, die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen: „Wir sind frei wie nie zuvor.“ Er betonte: „Wir leben im asiatischen Jahrhundert. Die bestehende Weltordnung des politischen Westens wird sich verändern.“ Der Journalist kritisierte die überbordende Bürokratie in Europa und Deutschland: „Bürokratie und Regulatorik: Da sind die Deutschen Weltmeister.“ Der Umgang mit der Freiheit und die Bürokratie mache, „die Straße der Innovation sehr schmal“. „Pragmatismus und Innovationskraft haben uns nach 1945 groß gemacht“, so Markus Gürne. Es fehle bei den Entscheidern und Politikern in Europa nicht die Erkenntnis, sondern „die Kraft dies auf den Boden zu bringen.“
Coface-CEE-CEO Jaroslaw Jaworski erläuterte in seiner Rede, dass sich Unternehmen den aktuellen Herausforderungen stellen müssen, und brachte als Beispiel die eigne Konzernstrategie „Power the Core“. Bis 2027 plant Coface ein führendes globales Ökosystem im Kreditrisikomanagement zu schaffen, um den Mehrwert für Kunden und Partner weiter zu maximieren. Die Coface-Ökonomen Christiane und Berg und Grzegorz Sielewicz gaben einen Überblick über aktuelle Risiken in Branchen und Ländern. Zu den Highlights in Europa zählten die erfreulichen Entwicklungen in Spanien und Portugal. Diese befinden sich, dank der Fokussierung auf Tourismus-Dienstleitungen aktuell im Aufwind. Auch Polen zeigt aktuell ein starkes Wirtschaftswachstum. „Polen sticht aufgrund der steigenden Militärausgaben und des starken privaten Konsums heraus“, erläutert Sielewicz. Weniger erfreulich ist dagegen der Blick gen Deutschland. „Es ist eine Welt ohne Wachstum“, sagte von Berg zur Entwicklung im österreichischen Nachbarland. In Deutschland zeigen ebenso wie in Österreich besonders die Baubranche „verheerende Zahlen“. Man müsse dies aber differenziert sehen, denn etwa der Straßenbau entwickle sich sehr gut, ebenso die die Renovierungs-Sparte. Immerhin, der detaillierte Blick auf die Branchen-Einschätzungen in Österreich zeigte auch ein paar positive Entwicklung: „der Tiefpunkt ist zumindest vorläufig überwunden“, so von Berg.
Bei der finalen Podiumsdiskussion „Antrieb, Bremse oder einfach egal - Welchen Einfluss haben Wahlen, Regierungen und Politik tatsächlich auf Wirtschaftsentwicklungen, Gesellschaft und Unternehmen“ debattieren unter der Leitung von Eva Komarek, Dagmar Koch, die Unternehmerin Gertrude Schatzdorfer-Wölfel, Nokia-Österreich Geschäftsführer Christoph Rohr und Palfinder CFO Felix Strohbichler. „Wir lieben die Gießkanne“, sagte Koch und hinterfragte damit die Förderpolitik Österreichs. „Wir sollten viel überlegter und strategischer vorgehen“, so Koch. Felix Strohbichler mahnte eine Industriepolitik in Europa ein: „Es fehlt eine Stoßrichtung.“ Die oberösterreichische Unternehmerin Gertrude Schatzdorfer-Wölfel wünscht sich von der Politik „Gesetze fertig zu denken. Und nicht im Nachhinein ein Gesetz auf das Gesetz setzen zu müssen.“ Nokia-Österreich-Geschäftsführer Rohr fordert Offenheit für neue Entwicklungen: „Da gibt es so viel Potenzial und Ideen“.